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Eine Yogini im Westen



Wie lebt eine Yogini im Westen? Als Yogalehrerin kommt man gar nicht umhin sich mit dieser Frage auseinander zu setzen. Nicht, dass mich das besonders belasten würde, habe ich doch meinen Standpunkt diesbezüglich. Es ist - wie so oft - das Umfeld, welches einem darüber nachgrübeln lässt. Dabei war Yoga bis vor etwa 15 Jahren noch gar kein Thema für mich. Auch als ich angefangen hatte einen Kurs zu besuchen, konnte ich mich noch nicht ganz mit Körper, Geist und Seele darauf einlassen. Ich spürte zwar, dass da etwas mit mir passierte, etwas was mir gut tat, aber auch ich schwänzte hin und wieder eine Stunde. Also von Disziplin war da noch keine Rede. Womit ich mir eigentlich mit dem Wort Disziplin etwas schwertue. Denn es ist für mich ein hartes Wort. Auch wenn man sagt, dass Disziplin der wichtigste Teil des Erfolges ist.


Der Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin.

 (Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger)


An dieser Stelle will ich an das Thema Yoga im fernen Osten anknüpfen. In seinem Herkunftsland Indien wird einem Yoga schon in die Wiege gelegt. Es ist sogar ein Unterrichtsfach und somit eine Disziplin. Das kann man auch in Dokumentationen deutlich sehen und spüren.

Schon früh verbiegen und verrenken sich die Kinder – je mehr umso besser.

 

Ist das Yoga? Allem Anschein nach schon und ich will die Traditionen der Morgenländer nicht anzweifeln, denn sie haben mit Sicherheit auch die Gabe in eine tiefe Meditation zu versinken, was ich sehr bewundere.

 

Ich selbst begann erst während der Yogalehrerausbildung zu begreifen, was die Essenz des Yoga ist. Ja, erst da konnte ich mich mental darauf einlassen - auch wenn ich bis heute nicht immer während der Meditation meinen Geist ruhen lassen kann. Manchmal geschieht einfach zu viel im Außen. Wie auch immer, Disziplin zahlt sich aus (s. Zitat).


Regelmäßige Yoga-Übungen helfen, der Hektik des Alltags gelassenund

standhaft entgegenzutreten.

(B. K. S. Iyengar)


Die "Leibesertüchtigungen" (Asanas), wie sie früher gerne genannt wurden, sind ein anderes Thema. Ist man nicht gerade ein Naturtalent und in etwas fortgeschrittenem Alter, hat sich zuvor kaum bewegt oder einen lebenslangen Bürojob und beginnt dann erst Yoga zu üben, kann niemand erwarten, dass man gleich zu einem Gummimenschen wird und mit dem Kopf zu den Knien kommt, oder gar sein Bein hinter dem Kopf ablegen, geschweige denn sich mit Leichtigkeit in den Kopfstand, die Krähe oder das Rad begeben kann.

 

Diese fortgeschrittenen Asanas sind bei mir sowieso außen vor. Ich praktiziere ein schönes Mittelstufe-Yoga. Ganz nach meinem Motto: alles in gesundem Maß. Yoga ist kein Hochleistungssport. Man sollte seine Grenzen akzeptieren.

 

Nicht jeder Mensch kann alle Positionen. Hier sollte man sich keinem Zwang auferlegen. Ich sage meinen Schülern immer, dass alles Kann, aber nichts Muss. Ich finde, das ist eine gesunde Einstellung.


Es kommt darauf an, den Körper mit der Seele und die Seele durch

den Körper zu heilen.

(Oscar Wilde)


(Foto: Spiegel Online)

 

Darf ich als Yogi Schokolade essen oder Alkohol trinken? Darf ich Fleisch essen? Darf ich auch einmal nicht in mir ruhend sein? Muss ich in Askese und/oder Selbstdisziplin leben?

Nach dem indischen Gelehrten Patanjali schon. In seiner Schrift (Yogasutra), die zwischen 200 v. Chr. und 200 n. Chr. verfasst wurde und zu den Standardwerken des Yoga gehört, sollte man den achtgliedrigen Pfad gehen, um schließlich Erleuchtung zu erfahren.

 

Von dem einmal abgesehen, dass es nicht unbedingt mein Ziel ist, Erleuchtung (Dyotana) zu erleben, obwohl ich während meiner Yoga-Karriere schon die eine oder andere Erfahrung damit gemacht hatte, haben wir Wessis doch eine ganz andere Mentalität als die Menschen aus dem Orient.

 

Damals als im Jahre 1930 Hatha-Yoga (dem ich überwiegend verschrieben bin) in Europa auftauchte, ging es hauptsächlich darum gesund und schlank zu sein und sich konzentrierter den Herausforderungen des Alltags zu stellen. Erst 30 Jahre später rückte der Aspekt der Selbstfindung in den Vordergrund (Quelle: gesundheit-blog.at). Natürlich ist es manchmal gut seine Lebensweise zu ändern. Gerade, wenn man nicht so liebevoll mit sich umgeht. Schließlich ist unser Körper der Tempel der Seele. Aber auch hier muss ich sagen, dass auch ich als Yogi, wenn auch nicht so oft, gerne ein gutes Steak esse, hin und wieder Süßigkeiten nasche oder je nach Situation mein Blut in Wallung bringen kann.

 

Und ja, als Pfälzermädel trinke ich eben auch gerne ein Glas guten Wein. Ist es nicht ungemein entspannend mit Freunden oder der Familie bei einem guten Essen und Glas Wein zusammenzusitzen und das Leben zu genießen? Ich finde schon. Es tut einfach nur der Seele gut. Ist das nicht Yoga?


Eat - Pray - Love!

(Elizabeth Gilbert, amerikanische Schriftstellern)


Dass ich selbst keinen Guru habe, liegt einfach an meiner begrenzten Zeit. Okay, auch hier könnte man andere Prioritäten setzen. Aber wenigstens gelingt es mir hin und wieder an einem Workshop teilzunehmen mit einer Yogalehrerin, die mir sehr liegt.

 

Letztendlich bedeutet Yoga für mich authentisch zu sein. Sich nicht für irgendetwas oder irgendwen verbiegen oder verstellen zu müssen. Ich leite meine Kurse nicht besonders spirituell an. Was heißt eigentlich spirituell?

 

Meine Teilnehmerinnen besuchen meine Kurse, eben weil man nicht etwas vorgeben muss, was man nicht ist. Eben weil sie noch auf dem Boden bleiben und sich selbst sein können.

 

In meinen Kursen werden zwar keine Mantras gesungen, aber es darf gelacht, geklagt und ja sogar geweint werden. Mir geht es darum, dass meine Yogis am Ende der Stunde mit einem glücklichen Lächeln den Raum verlassen – eben weil sie sich keine Zwänge auferlegen müssen. Das Leben ist manchmal hart genug, da muss man sich nicht auch noch während der Yogastunde in Disziplin üben. Yoga soll leicht sein und vor allem Freude bereiten. Ich bin gerne eine westliche Yogini, weil ich mir Yoga so gestalten kann, wie ich es mag.

 

Namasté

Eure Tanja

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